Lange Zeit fragten sich die Menschen, wohin einige Vögel im Winter verschwinden. Bereits Aristoteles rätselte, wohin die riesigen Vogelschwärme wohl reisen mögen. Der erste Ornithologe, der korrektere Angaben veröffentlichte, war Staufenkaiser Friedrich II. (1194-1250): er beschrieb den Vogelzug als Folge von Kälte und Nahrungsmangel. Trotzdem hielt sich bis ins 18. Jahrhundert die Vorstellung, die Tiere hielten „Winterschlaf“. Selbst der berühmte Systematiker Linné vertrat die Ansicht, dass Zugvögel im Herbst in Sümpfen versinken würden. Im Frühling, so der Naturforscher, stiegen sie wieder aus dem Wasser hervor. Funde wie der eines „Pfeilstorches“ im Jahr 1822 bei Klütz (Schleswig-Holstein) schürten die Neugier. Dies war ein Weißstorch, dem nach langer Reise noch immer ein fremdartiger Jagdspeer im Hals steckte.
Heute wissen wir dank langjähriger Vogelberingung, moderner Sender und länderübergreifenden Bestandszählungen mehr über den Weg der Zugvögel als je zuvor.
Per Definition ist „Vogelzug“ eine regelmäßige, alljährlich auftretende, jahreszeitlich gebundene Erscheinung. Zugvögel suchen sich über das Jahr hin Lebensräume, die ihnen sehr geeignete Lebensbedingungen bieten. So sind viele arktische und nordische Gebiete in dem kurzen Sommer dort ein idealer Lebensraum für die Jungenaufzucht. Die Gebiete sind dann sehr nahrungsreich und konkurrenzarm, es gibt kaum Standvögel dort. Vor allem Watvögel und Gänse sind in der Lage, diesen Raum zu nutzen und dort in kurzer Zeit ihr Brutgeschäft zu absolvieren. Im Winter machen hohe Schnee- und Eisdecken und eine unzugängliche oder fehlende Nahrung ein Überleben für die allermeisten Vogelarten in der Arktis unmöglich. Zugvögel haben sich daran angepasst. Sie entfliehen diesen unwirtlichen Bedingungen rechtzeitig und fliegen im Jahresverlauf zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet hin und her.
Brut- und Überwinterungsgebiete variieren zwischen den Arten stark. Die meisten der im Herbst bei uns zu beobachtenden Zugvögel kommen von einem weit entfernten nördlichen Brutplatz und bleiben bei uns nur zum Auftanken als Vorbereitung für die nächste Zugetappe Richtung Winterquartier. Unsere typischen „Wattenmeer-Zugvögel“ bewegen sich entlang des Ostatlantischen Zugwegs, der sich im Norden von Nordamerika und Grönland bis weit nach Ostsibirien erstreckt und im Süden bis nach Südafrika führt.
Es gibt zusätzliche Gründe, warum Vögel ziehen können. Zum Beispiel gehen Gänse, Enten oder andere Wasservögel auf den Mauserzug. Sie suchen ruhige, sichere Mauserquartiere auf, die sich abseits der Brutgebiete befinden, um dort die flugunfähige Phase während der Mauser zu überbrücken. Naturkatastrophen wie Dürre oder Brände können ebenfalls fluchtartige Wanderbewegungen auslösen. Diese Phänomene werden aber wegen ihres unregelmäßigen Auftretens nicht als „Vogelzug“ bezeichnet.